Organisationsformen des Rechtsextremismus

in Redaktion des Zentrums Demokratische Kultur

Dieser Beitrag behandelt Rechtsextremismus als politischen Akteur. In der Politik geht es - folgt man dem Klassiker der Soziologie, Max Weber - um Machterwerb, Machtbehauptung und Gefolgschaftswerbung. Dies gilt auch für den Rechtsextremismus: die wichtigsten Ressourcen sind hierbei Organisation und Kooperation. Die Machtinteressen und die damit verbundenen Ziele werden ideologisch begründet.

Deshalb soll hier nicht näher auf die einzelnen Parteien und Gruppen eingegangen werden, die zumeist auch hinlänglich bekannt und gut dokumentiert sind, sondern es wird der Versuch unternommen, auf die strukturelle und auf die strategische Ebene vorzudringen.

Nach einem kurzen Überblick über rechtsextreme Strukturen, die parteilich und nicht-parteilich sein können, folgt ein Abriss der Strategien, die ihrerseits systemwidrig oder systemkonform sein können.


Parteiliche Strukturen
Nicht-Parteiliche Strukturen
Strategien
Skinheads


Parteiliche Strukturen

Die Entwicklung des organisierten Rechtsextremismus in Deutschland unterliegt wie alle anderen Strömungen politischen Konjunkturen. Hinsichtlich der Erfolgsbedingungen ist zwischen externen und internen Faktoren zu unterscheiden. Mit externen Faktoren sind die gesellschaftlich-politischen Rahmenbedingungen gemeint, so z.B. Auswirkungen sozialen Wandels, Modernisierungsprozesse sowie auch Arbeitslosigkeit, Wohn- und Lebensbedingungen als auch geringe Akzeptanz politischer Institutionen etc.

Um externe Chancen zu nutzen, müssen zudem interne Faktoren gegeben sein. Dauerhafte Erfolge, wie hohe Nachfragen nach Publikationen, gut besuchte Versammlungen, wachsende Mitgliederzahlen oder hohe Wahlergebnisse, können von rechtsextremen Organisationen dauerhaft nur verbucht werden, wenn diese ebenfalls

  • Politische Kompetenz und Glaubwürdigkeit ausstrahlen
  • Innere Geschlossenheit zeigen
  • Populäre und respektable Personen in die Führungsgremien entsenden, und
  • Hinreichende Publizität in den Medien erlangen.

Die organisatorische Zersplitterung des deutschen Rechtsextremismus ist zweifellos eine, mit Sicherheit aber nicht die alleinige Ursache dafür, dass er nicht die Verbreitung hat wie in Frankreich, Italien oder Österreich.

Es lassen sich drei Erfolgswellen der Entwicklung des organisierten Rechtsextremismus in Westdeutschland bis 1990 anhand der Mitgliederentwicklung erkennen.

Phase 1: Gründungszeit der Bundesrepublik
Dominiert von den Nachwirkungen des 3. Reiches, aber dann geprägt von der überraschend schnell wachsenden Integrationskraft des demokratischen politischen Systems und von ökonomischer Prosperität.

Phase 2: 1966-69
Geprägt von ökonomischem Abschwung, Mangel an parlamentarischer Opposition während der großen Koalition. Entstehen eines politischen Vakuums auf der extremen Rechten, vor allem ausgefüllt durch die NPD.

Phase 3: seit Mitte der 80er Jahre
Geprägt vom Einklagen der von Helmut Kohl angekündigten "geistig-moralischen Wende", Rechtsextremismus wird mehr und mehr zum europäischen Phänomen mit gemeinsamen Themen wie Nation, Migration, Asyl, Wertewandel, etc.

Mit der deutschen Einheit erhielt die Erfolgswelle der dritten Entwicklungsstufe des westdeutschen Rechtsextremismus zusätzlichen Schub. Der gesamtdeutsche Rechtsextremismus begann auf einem sehr hohen Niveau. Die Zahl der organisierten Personen wuchs bis 1993 weiter auf fast 65000 an, war dann bis 1996 rückläufig auf ca. 45300 und stieg bis 1998 wieder auf knapp 54000 an. Die Zahl hat sich für die Jahre 1999 und 2000 zwischen ca. 51000 und 52000 eingependelt.

Der Anteil der neuen Bundesländer sank hierbei von ca. 10000 im Jahre 1992 auf rund 6500 im Jahre 1996. Bis zum Jahre 1999 wuchs der organisierte Rechtsextremismus in den fünf neuen Ländern wieder auf 9500 Personen an. Der prozentuale Anteil der in den fünf neuen Ländern organisierten Personen an den Rechtsextremisten in der Bundesrepublik insgesamt schwankte zwischen 1992 und 1998 zwischen 12,9% und 17, 4%, erreichte aber nicht die 18%-Marke (also den Anteil der Einwohner der neuen Länder an der gesamtdeutschen Bevölkerung). Erst im Jahre 1999 zogen die fünf neuen Länder gleich mit 18, 6%! Wichtig ist, dass das Gewaltpotential der ostdeutschen Szene zu allen Zeiten überdurchschnittlich war und ist.

Wer die Situation des Rechtsextremismus in Ost- und Westdeutschland vergleicht, gelangt zu dem Befund, dass der Rechtsextremismus im Westen überwiegend durch Organisationen wie Parteien, Verbänden geprägt und auch sonst stark institutionalisiert ist (Verlage, etc.), während im Osten der eher spontane, dafür aber besonders aggressive Protest vorherrscht. Der Rechtsextremismus ist in den neuen Ländern offenbar in erster Linie subkultureller Natur und stark bewegungsorientiert (Skinheads, Kameradschaften, etc.). Daher wird zu Recht immer wieder davor gewarnt, den Rechtsextremismus in Ostdeutschland nur aus der institutionellen Perspektive zu sehen. Diese ignoriert die mentale Verwurzelung der Subkulturen und Szenen vor Ort, deren Bedeutung sich nicht durch Mitglieder- und Wählerzahlen erschließen lässt.

Die Entwicklung des Rechtsextremismus seit der Bundestagswahl 1998, wo keine nennenswerten Erfolge erzielt werden konnten, lässt sich wie folgt charakterisieren:

Es hat eine Stagnation im Organisationswesen stattgefunden parallel zu einer wachsenden Gewaltbereitschaft und einem Bedeutungsgewinn der Subkulturen.

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Nicht-Parteiliche Strukturen


Vor allem nach den Verboten von acht rechtsextremistischen Organisationen zwischen 1992 und 1994, der die Szene stark unter Druck setze, kam es zu einer Strategiedebatte. Die Frage, wie man sich am besten gegen die wehrhafte Demokratie verteidigen könne, wurde mit der Parole "Organisation durch Desorganisation" beantwortet. Aus den alten verkrusteten Strukturen sollte eine Art Volksfront, ähnlich der APO (also: alle machen mit, keiner ist verantwortlich), gebildet werden, denn wo keine erkennbare Organisation vorhanden ist, kann man diese auch nicht zerschlagen! Das Gegenkonzept lässt sich wie folgt beschreiben:

  • Aufbau bzw. Weiterführung unabhängiger Gruppen ohne formale Mitgliedschaft,
  • Bundesweite Koordinierung unter Leitung anerkannter lokaler Führer,
  • Schaffung einer technischen Infrastruktur für einen effektiven Informationsaustausch (Fax
  • Anschlüsse, Handys, Mailboxen, Info-Telefone, E-mails).

Die Anti-Antifa-Kampagne verlief bereits nach diesem Muster und nun setzte auch im Organisationswesen Schritt für Schritt eine Dezentralisierung in autonome und unabhängige Kameradschaften ohne Vereinsstruktur ein. Da die meisten Organisationen inzwischen verboten waren, lief diese Strategie nicht auf die Entmachtung der einflußreichen Führer hinaus. Vielmehr fanden sich deren Anhänger nun in schwach organisierten Kleingruppen zusammen, die örtlich konspirativ agierten und nur durch informelle Kontakte ihrer lokalen Anführer miteinander vernetzt waren.

Dieses Prinzip versprach besseren Schutz gegen staatliche Repression, weil infolge der hohen Mobilität und Fluktuation schwer eine Beobachtung durchzuführen ist und wegen der fehlenden Vereinsstrukturen kaum juristisch sanktioniert werden kann. Auch verknüpfte sich mit der neuen Organisationsform die Hoffnung, dass damit die lähmenden Rivalitäten zwischen den einzelnen Organisationen und ihren Führern beendet und die Zeit umfassender Kooperationen angebrochen sei. Schließlich wurde erwartet, mit diesen eher bewegungsförmigen Strukturen auf mehr Resonanz bei den rechtsextremistischen Subkulturen (wie vor allem Skinheads) zu stossen, die für zentralistische und verbindliche Organisationen kaum zu begeistern sind.

Aber das Prinzip der "Organisation durch Desorganisation" hat auch seine Schwächen. Organisation ist schließlich kein Selbstzweck, sondern eine Ressource, die Effizienz und Kontinuität gewährleistet. Zudem widerspricht dieses Prinzip genuin rechtsextremem Denken und entspricht eher linken Traditionen.

Eine lebendige Strategiedebatte zwischen Anhängern des Bewegungs- und des Parteiprinzips ist weiterhin in vollem Gange. Insbesondere Funktionäre der NPD kritisieren die Spontanität vieler "national-autonomer" Kameraden als unprofessionell und ineffizient. Favorisiert wird hier im Grunde genommen das Parteikonzept Lenins: die straff organisierte Partei als Avantgarde der revolutionären Massen!

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Strategien

Überschaut man seine Strategiedebatten, so erweist sich der deutsche Rechtsextremismus als fragmentiert. Rechtsextremismus steht zwar prinzipiell in Fundamentalopposition zum bestehenden System. Da er aber zur Erreichung seiner Ziele einer Massenbasis bedarf, muss er zunächst auch die Möglichkeiten des bestehenden Systems ausnutzen, um Menschen an sich zu binden. Strategie und konkrete Praxis des RE sind folglich durch einen Doppelcharakter geprägt: Er agiert zugleich systemkonform und systemwidrig!

Allgemein können drei strategische Varianten unterschieden werden:

  • Der Kulturkampf bzw. die Kulturrevolution von rechts:
    Vordenker wollen geistige Grundlagen für Sieg schaffen, Ideologie formulieren und an Zeit anpassen. Es wird versucht, sich in gesellschaftliche Diskurse einzuschalten
  • Die Politische Opposition innerhalb des Systems:
    die Machtstellung soll mit hauptsächlich legalen Mitteln ausgebaut werden. Der Organisationsgrad soll gestärkt, Mitglieder geworben, Demonstrationen durchgeführt werden. Die Beteiligung an Wahlen wird bejaht.
  • Politische Opposition gegen das System:
    illegale Praktiken wie Gewalt oder Terror zur Einschüchterung usw. werden als opportunes Mittel der politischen Auseinandersetzung angesehen.

Systemkonforme und systemwidrige Aktivitäten lassen sich oft nicht exakt von einander abgrenzen und laufen wie z.B. bei der Dreifach-Strategie der NPD: "Kampf um die Straße, Kampf um die Köpfe, Kampf um die Parlamente" parallel.

In jedem Fall zielen die Operationsplanungen des Rechtsextremismus weniger auf Lösungen konkreter Sachfragen, sondern vor allem auf die Mobilisieung der Gefolgschaft. Dabei ergeben sich verschiedene Probleme, die "quer" zu den genannten Optionen liegen und deshalb gesondert betrachtet werden sollen:

Die Organisationsfrage:
Es stellt sich die Frage, ist es effektiver sich in bürgerlichen Parteien zu engagieren bzw. diese zu unterwandern oder in eigenen rechtsextremen Organisationen? Sollen Subkulturen eingebunden werden? (dies beantwortet z.B. die NPD mit ja, die Republikaner mit nein). Soll sogar eine eigene Nationale Außerparlamentarische Opposition (NAPO) ins Leben gerufen werden?

Die Bündnisfrage:
Es stellt sich die Frage ob Bündnisse eingegangen werden sollen und wenn ja, mit wem und zu welchem Preis? Hier besteht ein Dauerkonflikt zwischen Vertretern der "reinen Lehre" und den Pragmatikern. Die NPD bezeichnet sich beispielsweise als einzige authentische nationale Opposition und wirft u.a. der DVU und den Republikanern Opportunismus und Anbiederei vor. Umgekehrt wird die NPD verschiedentlich als Gruppe isolierte Fanatiker tituliert.

Sammlungspolitik
Hier soll die Fragmentierung der extremen Rechten durch eine Bündelung aller "nationalen Kräfte" überwinden werden, u.a. auch durch die Fusion von Organisationen. Dieser Ansatz ist in Deutschland bislang weitgehend gescheitert.

Auffällig ist, dass in den letzten Jahren die sog. national-revolutionären Gruppen und Parteien trotz gravierender Meinungsunterschiede mehr Nähe suchen. Die Formel dafür lautet "Nationaler Widerstand".

In vielen Städten bestehen sog. Freie Kameradschaften. Hierbei handelt es sich in der Regel um national-sozialistische Gruppierungen, die nur selten personell offen bzw. direkt politisch in Erscheinung treten. Sie existieren in einer Art Zwielicht, das sie für die Ausbreitung ihres Einflusses nutzen. Sie demonstrieren im Vorpolitischen ihre Macht, die in mancher Kommune im demokratischen Raum lähmend wirkt, zumal immer Gewalt oder zumindest ihre Androhung im Spiel ist.

Ziel ist es, sog. "befreite Zonen" zu schaffen. Es sollen Räume erobert werden wie Jugendclubs oder Wohnbezirke, um dort die alleinige Macht auszuüben, Gegner zu bestrafen und Freunde zu unterstützen. Mehr noch: man strebt eine ideologisch-kulturelle Vorherrschaft, eine kulturelle Hegemonie an.

In einer befreiten Zone kann nicht nur ungestört demonstriert und Propaganda betrieben werden, sondern es wird auch verhindert, dass der politische Gegner dies ebenfalls tut. Hier droht eine eigenständige rechtsextremistische Subkultur zu einer dominanten Alltagskultur zu werden.

Zusammenfassend ist die gegenwärtige Situation des RE durch drei Merkmale geprägt: Bei unverändert hohem Einstellungspotential stagniert die institutionelle Seite des Rechtsextremismus, während seine subkulturelle Seite quicklebendig ist.

Schluss
Das Endziel des Rechtsextremismus besteht darin, die staatliche Ordnung in einen völkischen Nationalismus zu transformieren. Die Legitimation des bestehenden Systems wird bestritten. Um einen Systemwechsel herbeizuführen, bedarf es einer hinreichenden Massenbasis. Nach allen vorliegenden Erkenntnissen mangelt es dem parteilich organisierten Lager sowohl an der notwendigen Einheit als auch an politisch erfahrenen und vorzeigbaren Führungsfiguren, um massenhaft Menschen an sich zu binden, obwohl durchaus ein entsprechendes Einstellungs- und Wählerpotential vorhanden ist.

Ein besonderes Gefahrenpotential im nicht-parteilichen Lager besteht vor allem hinsichtlich der möglichen Gewaltorientierung und Militanz. Besonders durch das Zusammenwirken parteilicher und nicht-parteilicher Kräfte droht gerade in den neuen Bundesländern die Entstehung einer Art sozialen Bewegung des Rechtsextremismus, die in der Alltagskultur verwurzelt ist und diese dominiert.

Insofern kann sich die Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht auf die Bekämpfung seiner Organisationen reduzieren, sondern muss vor allem auf die Stärkung einer demokratischen Kultur auf allen Ebenen konzentriert sein.

Quellen:
Schubarth, Winfried/Stöss, Richard (Hg.): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz, Opladen (Leske&Budrich), 2001.
Stöss, Richard: Rechtsextremismus im vereinten Deutschland, 3. überarbeitete Auflage, Bonn (Friedrich-Ebert-Stiftung), 2000.
Wagner, Bernd: Rechtsextremismus und kulturelle Subversion in den neuen Ländern, Sonderausgabe Bulletin, Berlin (Zentrum Demokratische Kultur), 1998.

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Skinheads

Die Subkultur der Skinheads entwickelte sich Ende der 60er Jahre in Großbritannien. Die Skinheads, die insbesondere dem Arbeitermilieu entstammten, verstanden sich als apolitische Gegenbewegung zu den Hippies und Mods der etablierten Mittelschicht. Die äußere Erscheinung sollte provozieren und vor allen Dingen der Abgrenzung dienen: Man trug extrem kurzes Haar bis Glatze, robuste Arbeiterkleidung und die Doc Martens-Stiefel der britischen Werftarbeiter, oftmals mit eingearbeiteten Stahlkappen, dazu Fliegerjacken, karierte Hemden und Hosenträger. Die zweite Welle der Skinhead-Bewegung kam Ende 1977. Diesmal aber wurden Teile der Bewegung politisch aktiv. Rechtsextremistischen britischen Gruppen gelang es, die Skinheads für ihre Ziele zu gewinnen.

Die Skinhead-Bewegung begann dann auch Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre in Deutschland Fuß zu fassen. Als wesentlicher Bestandteil der Subkultur wurde das rassistische Gedankengut übernommen. Das Zentrum der deutschen Skinhead-Bewegung war Berlin. Es kam bald zu Übergriffen von Skinheads gegen "Linke" und Ausländer, vor allem gegen türkische Staatsangehörige. Die Bereitschaft, Gewalt anzuwenden, ist in der Skinhead-Szene stark ausgeprägt. Seit der Wiedervereinigung haben Skinhead-Gruppen in den neuen Ländern erheblichen Zulauf. Inzwischen liegen die Schwerpunkte der Skinhead-Szene in Ost- und Südthüringen, in Südbrandenburg, in Westsachsen sowie in Ballungsräumen und Großstädten wie Frankfurt/Oder. Durch den Verfassungsschutz wird auch eine Zunahme des Personenpotentials in Sachsen-Anhalt festgestellt. In den alten Bundesländern richtet sich das Augenmerk der Behörden auf die Skinhead-Szene im Allgäu (Bayern), die auch überregionale Bedeutung hat. Größere Skinhead-Szenen gibt es in Baden-Württemberg, Hamburg und Niedersachsen. So stellen Skinheads inzwischen auch die weitaus größte Gruppe innerhalb der gewaltbereiten Rechtsextremisten. Exakte Zahlen fehlen allerdings, da sie sich nach wie vor festen neonazistischen Strukturen entziehen. Die Gewaltbereitschaft und Fremdenfeindlichkeit der Skinheads ist weniger programmatisch-ideologisch, sondern entspringt eher einer diffusen neonazistischen und rassistischen Weltanschauung. Gewalt ist für Skinheads in erster Linie Selbstzweck, d.h. Ausdruck ihres von einem übersteigerten Männlichkeitswahn gekennzeichneten Lebensgefühls. Gewaltanwendung ist wesentliches "Artikulationsmittel" der Skinheads und ihr Bindeglied. Sie vollziehen, was nach ihrer Meinung der Wille der Mehrheit ist.

Innerhalb der Skinheads gibt es verschiedene Gruppierungen: "Nazi-Skins", "Oi-Skins, "Fascho-Skins", "White Power-Skins", "Hooligans", "Hammerskins", "Blood & Honour". "Hammerskins" zählen zu der härteren Fraktion. Bei der Blood and Honour-Bewegung handelt es sich um eine Gründung des 1993 verstorbenen Neonazi Ian Stuart Donaldson, ehemaliger Leadsänger der legendären Skinhead-Kultband "Skrewdriver". Ziel der "B+H-Bewegung" ist die ideologische Beeinflussung der Skinhead-Szene über die Musik. Hierin wird ein ideales Mittel gesehen, die jugendlichen Skinheads an den Nationalsozialismus heranzuführen. Hinzu kommen aber auch auch die sog. "Sharpskins" und "Redskins", die nicht rechts sind, sondern vielmehr aktiv gegen rechte Skinheads auftreten. Querverbindungen gibt es auch zum Ku Klux Klan, wie sich im Falle von Carsten Szczepanski zeigt. Szczepanski ist selbsternannter Führer der "White Knights of the Ku Klux Klan"/"Realm of Germany" und Gründer des Organs der Neonazi-Skinhead-Gruppe "United Skins" mit dem gleichlautenden Namen. Darin hatte er zur Solidarität mit dem Polizistenmörder Kay Diesner aufgerufen.

Die Skinhead-Musik ist von dumpfen, schlichten Melodien und harten, schnellen und stakkatoartigen Rhythmen geprägt. Sie ist extrem laut und aggressiv, die Texte der einheimischen Bands sind Deutsch. In ihrer Gesamtheit wirkt Skinhead-Musik vor allem als Integrations- und Aggressionsfaktor. Die mögliche Wirkung der "Musik als Mittel der Indoktrination" darf nicht verkannt werden. Die CD-ROMs werden bei manchen Konzertauftritten zum Teil durch eine besondere Art der Darstellung (wie z.B. durch Ausführen des Hitlergrußes, Schwenken der Reichskriegsflagge) zur ideologisch-propagandistischen Interaktion mit der Zuhörerschaft dargeboten. Inhaltlich rüde und in brutaler Weise gewaltdarstellende Liedtexte sowie die von hartem Rhythmus gepeitschte primitive Musik ("drei Harmonien für einen Song reichen") vermögen beim unkritischen und prädisponierten Hörer eine aggressive Stimmung hervorzurufen, welche möglicherweise dazu animiert, die durch die Texte transportierte Brutalität auch in die Tat umzusetzen. Skinhead-Konzerte sind jedenfalls immer auch eine wesentliche Möglichkeit der Rekrutierung für Rechtsextremisten. Die Konzerte rechtsextremer Skinhead-Bands haben sich in der Zeit von 1995 bis Anfang des Jahres 2000 verdreifacht. Allein 1999 registrierte das Bundesinnenministerium 105 Konzerte dieser Art. 1998 zählte die überraschte Polizei in Garitz in Sachsen-Anhalt bei einem Skinhead-Konzert etwa 2000 Glatzköpfe.

Rechtsextremistische Bands bekennen sich in ihren Liedtexten zu einer diffusen "arisch-nordischen" Rassenideologie, die alles Fremde ablehnt. Regelmäßig enthalten die Texte widerwärtige Verunglimpfungen bestimmter Volksgruppen, Religionsgemeinschaften oder Minderheiten. Unverhohlen wird auch die Terrorherrschaft der Nationalsozialisten verherrlicht. Im Mai 1997 wurde die CD einer bis dahin unbekannten Skinhead-Band "Die Zillertaler Türkenjäger" bekannt. Die Band verbindet unter dem Titel "12 Doitsche Stimmungshits" bekannte Schlagermelodien mit rechtsextremistischen, volksverhetzenden Texten, wie in dem antisemitischen Lied "So ist er". Fast alle Skinhead-Bands sind organisatorisch in die Skinhead-Netzwerke "Blood and Honour" und in die Hammerskin-Bewegung eingebunden. Neben den traditionellen Kontakten nach Großbritannien wurden auch die Verbindungen zur rechtsterroristischen Gruppen in Schweden intensiviert.

Der Vertrieb solcher Musik erfolgt inzwischen auch über das Internet in MP3-Format. Jedoch werden bei Razzien immer wieder auch große Bestände volksverhetzender CD-ROMs sichergestellt, so z.B. 1998 in Stralsund, Mecklenburg-Vorpommern, bei dem wegen Volksverhetzung vorbestraften und unter Bewährungsauflage stehenden Jens Hessler, im Februar 2000 bei Thorsten Heise und in Berlin im März bei Stephan L., einem Hauptdrahtzieher der "Deutschland Division" von Bloood & Honour, in der Szene als "Pinocchio" bekannt. Mit dem Vertrieb und der Produktion von Nazi-Skinhead-Rock sowie von Zeitschriften befassen sich Torsten Lemmer und Manfred Rouhs. 1994 erscheint das Buch Skinhead Rock im Verlag "Mehr Wissen" von Kurt Winter. Erwähnt werden sollte in diesem Zusammenhang auch der Vertrieb von Jens Pühse, Freising. Alle hier Genannten sind fest eingebunden in der rechtsextremen Szene. Bei Razzien von Vertrieben für Skinhead-Musik wurden zudem mehrfach Hakenkreuzfahnen, indiziertes und verbotenes Video- und Schriftmaterial sowie Waffen und Munition sichergestellt.

Das Internet wird von Skinhead-Gruppen inzwischen recht intensiv genutzt, über deren Webseiten gelangt der Besucher in Webforen und Chatrooms, angeboten werden Fanzines wie "RockNord" aus dem Hause Lemmer, aber auch T-Shirts, Buttons und andere Skin-Artikel. Weibliche Skinheads, die sogenannten "Renees", haben ebenfalls eigene Webseiten gestaltet.

Autorin: Margret Chatwin

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