Grundbegriffe

in Redaktion des Zentrums Demokratische Kultur

Rechtsextremismus
Rechtsradikalismus
Rassismus
Antisemitismus
Ausländerfeindlichkeit
Fremdenfeindlichkeit
Nationalsozialismus
Nationalismus


Rechtsextremismus

Von vielen Autoren in Deutschland wird zu Recht der Mangel einer allgemeingültigen Definition von Rechtsextremismus beklagt. Vielmehr herrscht eine wahre Begriffskonfusion und völlige Unübersichtlichkeit der Begriffe, die noch keinen Konsens bei der Bestimmung der Rechtsextremismus-Terminologie zulassen. Bei genauer Betrachtung stellt der Rechtsextremismus einen facettenreichen, für viele Beobachter unübersichtlichen Sektor der politischen Landschaft Deutschlands dar.

In der Praxis von Polizei und Verfassungsschutzbehörden gelten Bestrebungen als extremistisch, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben.

Kennzeichnend für die freiheitliche demokratische Grundordnung sind folgende acht Prinzipien:

  1. Menschenrechte,
  2. Volkssouveränität,
  3. Gewaltenteilung,
  4. Verantwortlichkeit der Regierung,
  5. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung,
  6. Unabhängigkeit der Gerichte,
  7. Mehrparteienprinzip,
  8. Chancengleichheit der Parteien einschließlich Oppositionsfreiheit.

Diese extremismuszentrierte Definition eignet sich wohl zur Markierung des Grenzbereichs zwischen den Grundprinzipien der Demokratie und demokratiefeindlichen Bestrebungen, nicht jedoch für eine wissenschaftliche Analyse des Phänomens.

Sozialwissenschaftliche Analysen über Verbreitung und Ursachen des Rechtsextremismus müssen sich auch auf rechtsextreme Einstellungen beziehen und danach fragen, wie sie entstehen und unter welchen Bedingungen sie in konkrete Praxis münden.

Rechtsextremismus folgt keiner einheitlichen Ideologie. Wir haben es vielmehr mit einem heterogenen Gemisch unterschiedlichster Begründungszusammenhänge und Sichtweisen zu tun, was seinen Niederschlag in der Bundesrepublik auch in organisatorischer Zersplitterung der extremistischen Rechten findet. Sie ist Ausdruck der Vielfalt miteinander konkurrierender

Konzeptionen und Ziele, die sich zum einen auf die Wiederherstellung der nationalen Einheit (des Deutschen Reiches) und zum anderen auf dessen innere Ordnung beziehen. Die Komplexität des Rechtsextremismus besteht aber nicht nur in der Vielfalt seiner weltanschaulichen Versatzstücke und politischen Zielsetzungen, sondern auch darin, dass er uns im politischen Alltag in verschiedenartigen Erscheinungsformen begegnet.

Zunächst ist zwischen rechtsextremistischen Einstellungen und rechtsextremistischem Verhalten zu unterscheiden. Dies ist notwendig, weil Einstellungen in der Regel dem Verhalten vorgelagert sind. Sie schlagen sich aber nicht zwangsläufig in konkreter Praxis nieder. Das gilt nicht nur für den Rechtsextremismus, sondern generell: Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung ist politisch aktiv, und daher ist das rechtsextremistische Einstellungspotenzial wesentlich größer als das Verhaltenspotenzial.

Beim Rechtsextremismus handelt es sich um ein komplexes Einstellungsmuster. Für Rechtsextremisten ist vor allem die Einteilung der Menschen in verschiedene hierarchisch gegliederte Gruppen typisch. Diese Idee der Einteilung ist das Grundmuster und die Basis rechtsextremer Weltanschauung. Menschliche Gruppen werden demnach nicht nur unterschieden, sondern bekommen eine Wertigkeit, die an ihrer "rassischen", kulturellen oder nationalen Zugehörigkeit festgemacht wird. Grundsetzlich werden außerdem zumeist folgende Bestandteile rechtsextremer Einstellung zugerechnet:

  1. Nationalismus in aggressiver Form, Feindschaft gegen Ausländer, Minderheiten
  2. Antisemitismus und Rassismus, biologistische und sozialdarwinistische Theorien
  3. Intoleranz, Glaube an Recht durch Stärke, elitär-unduldsames Sendungsbewusstsein und Diffamierung Andersdenkendender
  4. Militarismus, "Führertum", Unterordnung
  5. Verherrlichung des NS-Staats als Vorbild - Negierung/Verharmlosung der NS-Verbrechen
  6. Neigung zu Verschwörungstheorien
  7. Latente Bereitschaft zur gewaltsamen Propagierung und Durchsetzung der erstrebten Ziele

Rechtsextremismus ist nicht mit den Prinzipien der Menschen- und Grundrechte, mit Demokratie und Rechtsstaat vereinbar. Rechtsextremismus ist zusammenfassend die Gesamtheit derjenigen Einstellungen, Verhaltensweisen und Aktionen, organisiert oder nicht, die die Fundamentalgleichheit aller Menschen kategorisch verneinen, den Wertepluralismus einer liberalen Demokratie ablehnen und gezielt unter der Akzeptanz von Gewalt auf die Abschaffung des demokratisch-pluralistischen Gesellschaftssystems hinarbeiten.

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Rechtsradikalismus

Die Grenzlinie zwischen Demokratie und Extremismus nicht immer leicht zu bestimmen. Der Übergang ist nämlich zumeist fließend. Zu diesem Zweck kennt das Amtsdeutsch den Begriff Radikalismus. Er markiert die Grenzzonen zwischen den Extremismen und dem demokratischen, durch die freiheitliche demokratische Grundordnung geschützten Bereich, wobei der Rechts- bzw. Linksradikalismus noch dem verfassungskonformen Spektrum zuzurechnen ist. Rechts- und Linksextremismus werden hier die entgegengesetzten Endpunkte eines Kontinuums, dessen Zentrum der demokratische Sektor bildet. Zum einen werden auf diese Weise Links- und Rechtsextremismus undifferenziert gleichgestellt. Zum anderen wird Rechtsextremismus damit zu einem Randphänomen erklärt und mithin bagatellisiert. Tatsächlich handelt es sich dabei aber nicht um Außenseiterpositionen, sondern um ein Phänomen, das in der Mitte der Gesellschaft gedeiht. In der wissenschaftlichen Diskussion konnte sich der Begriff Rechtsradikalismus deshalb nicht durchsetzen. Es wird stattdessen hauptsächlich mit dem Begriff Rechtsextremismus operiert.

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Rassismus

Im Gegensatz zu den Begriffen Ausländerfeindlichkeit und Fremdenfeindlichkeit ist Rassismus ein Begriff, der gesellschaftliche Tatbestände treffend erklären kann. Dennoch wird Rassismus als öffentlich-politischer Begriff selten verwendet. Das Bestehen von Rassismus wird entweder geleugnet oder mit den beiden oben genannten unscharfen Begriffen umschrieben.
Wenn Menschen wegen körperlicher Merkmale beurteilt und diskriminiert werden, handelt es sich um Rassismus. Rassistisches Denken geht von der unabänderlichen Zugehörigkeit des einzelnen Menschen zu einer Volksgruppe aus. Diesen Volksgruppen werden allgemeingültige Charakterzüge unterstellt, die dann auf alle "Gruppenmitglieder" projeziert werden. Darüber hinaus wird im Rassismus die natürliche Überlegenheit der eigenen Gruppe behauptet und daraus das Recht zur Benachteiligung anderer Gruppen abgeleitet bis hin zur Rechtfertigung von Aggressionen und Gewalt gegen Angehörige einer als Minderwertig angesehenen Gruppe. Folgen sind die Ausgrenzung von Menschen, die auf vielfältige Art und Weise geschehen kann, z.B. durch die Verweigerung fundamentaler Rechte.

Rassismus ist keine Erscheinung, die sich nur auf das 20. Jahrhundert oder gar auf die Zeit des Nationalsozialismus begrenzt. Bereits die kolonialen Eroberungen durch westeuropäische Staaten geschah mit rassistischen Rechtfertigungen. Die weißen, christlichen Eroberer präsentierten sich in den Kolonien und in ihren eigenen Ländern als Krönung der menschlichen Zivilisation, betrachteten die unterworfenen Völker als minderwertig und leiteten daraus das Recht ab, sie mit Zwangsarbeit auszubeuten. Die rassistische Rechtfertigung der europäischen Kolonialpolitik etablierte Rassismus spätestens im 19. Jahrhundert als Massenphänomen westlicher Gesellschaften.

In Deutschland entwickelte sich Rassismus – der ein weltweites Phänomen ist - im 20. Jahrhundert in besonders verheerender Weise. Die Rassenpolitik des Nationalsozialismus, der rassistische Eroberungskrieg und die systematische Vernichtung von Menschen nach rassistischen Kriterien stellen einen schrecklichen Höhepunkt in der Geschichte rassistischen Denkens und Handelns dar.

Aber auch nach dem Jahr 1945 ist Rassismus in Deutschland keineswegs verschwunden. Nach wie vor wird der Versuch unternommen, Menschen in Rassen einzuteilen. Diese Einteilung geschieht anhand äußerer Merkmale, die verknüpft mit zugeschriebenen Verhaltensweisen, angeblich schon die Existent von Rassen beweisen soll. Wenn es auch in der Öffentlichkeit kaum jemanden geben mag, der noch von Menschenrassen spricht, so geschieht Ungleichbehandlung häufig doch nach rassistischen Kriterien. Sehr oft müssen Einwanderer als auch ihre in Deutschland geborenen Nachkommen gegen vielfältige Vorurteile im Alltag ankämpfen, die sich fast immer gegen die ihnen zugeschriebene Gruppe richtet und nicht gegen sie als Individuum (nach dem Muster: "Die [Türken/Schwarzen/Russen, etc.] sind doch alle [...]"). Die Zuschreibungen sind hierbei beliebig.

Die neueste Form der Zuordnung einzelner Menschen zu unveränderlichen Volksgruppen beschreibt allerdings nicht mehr Rasse als zentrales Merkmal, sondern Kultur. Hier gilt es nun eine angeblich unveränderbare kulturelle Identität zu bewahren. Dieser "Kulturalismus" ist zwar nicht dasselbe wie Rassismus, führt jedoch im Kern zu sehr ähnlichen Ergebnissen. Die Vorurteile, die sich vorher gegen die in Rassen eingeteilte Menschen gerichtet haben, richten sich nun gegen Kulturen, denen einheitliche Charakterzüge und Wertigkeiten zugeschrieben werden. Die Folge ist auch hier Ungleichbehandlung und Ausgrenzung. Die Erkenntnis, dass Kulturen nicht starr festgelegt sind und sich stattdessen im Zusammenleben von Menschen wachsen, wird nicht zugelassen.

Rassismus in allen seinen Formen ist kein Phänomen, das sich lediglich auf Rechtsextremisten beschränkt. Rassismus ist vielmehr in der Mitte der Gesellschaft angelegt. Die Frage, wieviel Einfluß und Raum ihm zugestanden wird, ist gleichzeitig eine Frage der Demokratie selbst, die in ihrem Kern mit Rassismus unvereinbar ist. Wo im Sinne von Demokratie Gleichbehandlung der Menschen durchgesetzt wird, verliert Rassismus an Boden.

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Antisemitismus

Der Begriff "Antisemitismus" wurde 1879 von Wilhelm Marr geprägt. In diesem Jahr erschien seine Hetzschrift "Der Sieg des Judentums über das Germanentum". Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff "Semitenfeindschaft", diese Feindschaft richtet sich aber ausschließlich gegen Juden. Das Phänomen des Antisemitismus reicht Jahrtausende zurück: Seit ihrer Zerstreuung in alle Welt nach der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n.Chr. durch römische Truppen und der arabischen Eroberung im 7. Jahrhundert bildeten die Juden allerorts ziemlich wehrlose Minderheiten, die dennoch ihren kulturellen und religiösen Traditionen treu blieben. Sie bildeten oftmals homogene Gemeinschaften in der Diaspora und wurden so leicht zu Opfern von Angriffen ("Sündenbockfunktion"). Daneben gab es im Christentum einen ausgeprägten Antijudaismus, da sich die Juden nicht bekehren lassen wollten. Diese Judenfeindschaft schlägt sich auch im christlichen Schrifttum nieder und findet so ihre Tradierung über die Jahrhunderte hinweg. Besonders im fanatisierten Klima der Kreuzzüge (11.-13. Jahrhundert) kommt es zu schweren Ausschreitungen gegen die "Christusmörder". So sind viele Fälle überliefert, wo es unmittelbar vor Beginn eines Kreuzzuges zu Massenmorden an den Juden kam und ganze Gemeinden ausgelöscht wurden (z.B. Rouen, Troyes, Metz, Speyer, Mainz). Gottfried von Bouillon und sein wildes Kreuzfahrerheer richtete nach einmonatiger Belagerung von Jerusalem ein entsetzliches Blutbad unter der jüdischen Bevölkerung an und ließ sie alle bei lebendigem Leibe verbrennen.

Sie wurden beschuldigt, Brunnen zu vergiften und für den Ausbruch des "Schwarzen Todes", der Pest, machte man sie ebenfalls verantwortlich. Vorwürfe wurden gegen Juden erhoben, sie hätten angeblich den Hussiten-Aufstand gegen die Katholiken in Böhmen finanziert und als die Mongolen in Deutschland einfielen, hieß es, diese wären Abkömmlinge der "Zehn verlorenen Stämme Israels". Mit der Französischen Revolution kommt es erneut zu antijüdischen Ressentiments, werden sie doch in Personalunion mit dem Freimaurerbund der Illuminaten als Befürworter der Aufklärung für den Ausbruch der Revolution verantwortlich gemacht. Unter Napoleon heißt es dann, dieser würde die Juden mit besonderen Privilegien ausstatten, nachdem er zur Erörterung des "jüdischen Problems" ein "Sanhedrin" einberufen ließ. Das "jüdische Problem" war vor allen Dingen die Überschuldung französischer Bauern, die im Verlauf der Französischen Revolution vom Adel und Klerus konfiszierte Besitzungen erworben hatten und deshalb Darlehen bei jüdischen Geldleihern aufgenommen hatten. Die Revolution brachte nicht vorhergesehene hohe Steuerbelastungen und eine Geldentwertung mit sich und die Folgen wurden nunmehr den jüdischen "Wucherern" angelastet. In der Zeit tauchen dann auch vermehrt antijüdische Schriften und Flugblätter in Frankreich auf.

Dass die Juden dann auch für den Ausbruch der Russischen Revolution verantwortlich gemacht wurden, lag an der Propaganda der Russisch-Orthodoxen Kirche, die in den Juden einen Feind des Christentums und des Zaren zu erkennen glaubten. Als Folge dieser Kampagne kommt es in den Jahren 1881-82 sowie 1905 zu schrecklichen Pogromen an Juden. Dabei wurde die Stimmung gegen Juden vor allem mittels der sog. Ritualmordlegende angeheizt. Die Juden, so wird behauptet, würden unschuldige Christenkinder ermorden, um an das Blut zu kommen, welches sie angeblich für ihre geheimen Riten bräuchten. Wer sich ein wenig mit dem Judentum befasst hat, weiß jedoch, wie abwegig diese Behauptungen sind, da Blut im Judentum als unrein gilt und der Kontakt nach Möglichkeit zu meiden ist. Schon im Mittelalter kam es aufgrund dieser Ritualmordlegenden zu vielen Pogromen, Folterungen durch die Inquisition und zu Morden an Juden.

Der zaristische Geheimdienst, die "Ochrana", ist auch für die Herstellung eines der zählebigsten und infamsten antisemitischen Pamphlete verantwortlich, die "Protokolle der Weisen von Zion".

Die antisemitischen Hetzschriften und Übergriffe im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts lässt viele Juden einen Ausweg in der Assimilation suchen, welche in den meisten Fällen mit der Abkehr vom religiösen Judentum und der Taufe einhergeht. Bezeichnend für die Zeit ist das Bemühen von wissenschaftlichen Kreisen, die dem Umfeld der "Völkischen Bewegung" angehören, dem antisemitischen Ressentiment und Hass ein quasi wissenschaftliches Gewand zu verpassen. Ausgehend von Arthur Gobineau werden Juden nunmehr als eigene "Rasse" betrachtet. Diese Denkweise wird später von den Nationalsozialisten übernommen und führen über die Diffamierung, Entrechtung und Enteignung geradewegs zur industriell organisierten Massenvernichtung der Juden in den Vernichtungslagern. Um in der Bevölkerung eine Zustimmung zu den antijüdischen Maßnahmen zu erlangen, wird in Publikationen, durch das Radio, vor allem aber durch das Medium Film das Bild des "häßlichen Juden" gezeichnet. Hier sei vor allem der Film "Jud Süß" von Veit Harlan erwähnt. Hitler hat bereits in frühen schriftlichen Äußerungen dargelegt, dass er in seinem Hass gegen Juden deren völlige Entrechtung und Vernichtung anstrebt. In einem Brief vom 16. September 1919 formuliert er auf die Bitte des Generalstabsoffiziers Mayr seine Gedanken zur "Judenfrage":

"Der Antisemitismus aus rein gefühlsmäßigen Gründen wird seinen letzten Audruck finden in der Form von Progromen (sic!). Der Antisemitismus der Vernunft jedoch muß führen zur planmäßigen gesetzlichen Bekämpfung und Beseitigung der Vorrechte der Juden, die er zum Unterschied der anderen zwischen uns lebenden Fremden besitzt (Fremdengesetzgebung). Sein letztes Ziel aber muß unverrückbar die Entfernung der Juden überhaupt sein.["1] Im Jahre 1934 wurde in enger personeller und finanzieller Verbindung mit dem Propagandaministerium in Berlin das Institut zum Studium der Judenfrage gegründet. Mit Rücksicht auf die arabischen Länder, wurde das Institut im Februar 1942 in "Antijüdische Aktion" umbenannt.

Der aktuelle Antisemitismus beruft sich in weiten Teilen auf das Schriftgut der "Völkischen Bewegung" und des Nationalsozialismus. Dabei sind antisemitische Ressentiments nicht nur aus rechten Kreisen zu vernehmen. Der linke Antisemitismus benutzt dafür gerne die Vokabel "Antizionismus". Unterzieht man die Vorhaltungen einer näheren Untersuchung, so wird offenbar, dass sich die Kritik gegen alle Juden richtet und vor allem gegen das Existenzrecht der Juden in Israel. Neben ultrarechten christlich-religiösen Kreisen in den Vereinigten Staaten pflegen in den vergangenen Jahren vor allem Anhänger der "Esoterik" einen Antisemitismus, der den Juden vorwirft, mittels einer "Weltverschwörung" eine "Ein-Welt-Regierung" errichten zu wollen. In diesem Dunstkreis tauchen immer wieder die alten Talmudfälschungen des August Rohling auf, die "Protokolle der Weisen von Zion" sowie die antisemitischen Schriften von Theodor Fritsch und Henry Ford. Für deren Verbreitung und Neuauflage sind neben dezidiert rechtsextremen politischen Gruppen auch esoterisch-verschwörungstheoretisch orientierte Autoren wie Jan van Helsing, Gary Allen und Des Griffin verantwortlich.

Der Antisemitismus äußert sich meist in aggressiver verbaler Form, durch Schändungen jüdischer Grabstätten, aber verschiedentlich auch durch Brandanschläge (z.B. der zweimalige Anschlag auf die Synagoge in Lübeck) und Gewalt gegen Personen. Bei Friedhofsschändungen steht die Bundesrepublik im europäischen Vergleich weit vorne. Die Aufklärungsquote ist bei diesem Delikt hingegen erschreckend gering.

Zu einer Fülle von antisemitischen Unterstellungen führen die Entschädigungsforderungen ehemaliger Zwangsarbeiter. Auch hier dienen "die Juden" als Zielgruppe, obwohl eben nicht nur Juden zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehören, sondern viele ehemals verschleppte nichtjüdische Personen aus den Ostgebieten. (Zwangsarbeit) Als bekannt wird, dass sich viele Schweizer Bankhäuser an den sog. nachrichtenlosen Vermögen schadlos gehalten und keinerlei Anstrengungen unternommen hatten, mögliche Erben ausfindig zu machen, darüberhinaus jüdische Organisationen seit 1945 in solchen Bemühungen blockierten, hat die Öffentlichmachung dieser Fakten eine Fülle antisemitischer Äußerungen zur Folge. In zwei Interviews bezeichnete Bundesrat Jean Pascal Delamuraz jüdische Forderungen an Schweizer Banken als "Lösegeld-Erpressung". Auch Christoph Blocher, Chef der xenophoben Schweizerischen Volkspartei SVP und Gründer der "Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz" (AUNS), bedient antisemitische Klischees.

Ein besonders militanter Antisemitismus macht sich seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in Rußland breit, weshalb die Ausreise von Juden ungebrochen anhält. Auch in Rumänien werden zunehmend Minderheiten, darunter die Juden diffamiert. Besonders tun sich darin mehrere Gruppen hervor, die sich auf die "Legion Erzengel Michael" berufen, einer Gründung des rumänischen Faschisten Corneliu Codreanu.

Autorin: Margret Chatwin

Anmerkungen:
1. zit. nach: Werner Maser: Adolf Hitler. Legende, Mythos, Wirklichkeit. Bechtle, München 1971, S. 174 (genannte Quelle: Hauptstaatsarchiv München, Abt. II, Gruppen-Kdo. 4, Bd. 50/8), vgl. auch Detlev Claussen: Vom Judenhass zum Antisemitismus, 2.Aufl. Darmstadt, 1988, S. 190-193
Quellen:
Rohrbacher; Eban; bnr; William Totok: Rumänien wird zur Hochburg der Antisemiten, taz, 27.10.98. Lexikon: Antisemitische Aktion, Digitale Bibliothek Band 25: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 920 (vgl. EdNS, S. 365)

Weiterführende Literatur:
Wolfgang Benz (Hg.): Antisemitismus in Deutschland. Zur Aktualität eines Vorurteils. Deutscher Taschenbuch Verlag, München. 1995
Wolfgang Benz, Werner Bergmann: Vorurteil und Völkermord. Entwicklungslinien des Antisemitismus. Herder. Freiburg, Basel, Wien. 1997
Horst Dichanz/Nadine Hauer/Peter Hölzle/Imme Horn (Hrsg.): Antisemitismus in Medien. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1997, ISBN 3-89331-275-7
Stefan Rohrbacher, Michael Schmidt: Judenbilder. Kulturgeschichte antijüdischer Mythen und antisemitischer Vorurteile. Rowohlts Enzyklopädie. Reinbek. 1991
Henryk M. Broder: Der ewige Antisemit. Über Sinn und Funktion eines beständigen Gefühls. Fischer Taschenbuch, Frankfurt, 1986.
Hermann Graml, Angelika Königseder, Juliane Wetzel (Hgg.): Vorurteil und Rassenhass. Antisemitismus in den faschistischen Bewegungen Europas. Metropol Verlag, Berlin 2001; 456 Seiten
Elisabeth Brainin, Vera Ligeti, Sami Teicher: Vom Gedanken zur Tat. Zur Psychoanalyse des Antisemitismus. Brandes & Apsel, Frankfurt a.M., 1993

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Ausländerfeindlichkeit

Als in der Bundesrepublik der 60er Jahren die kurz zuvor angeworbenen "Gastarbeiter" auf die ersten Ressentiments der deutschen Bevölkerung stießen, wurde hierfür das in anderen Sprachen unbekannte Wort Ausländerfeindlichkeit erfunden. Der Begriff Ausländerfeindlichkeit umschreibt die allgemeine politische Ungleichbehandlung von Ausländern. Dem zugrunde liegt eine Vorstellung, in der sich Einheimische als höherwertig betrachten und daraus die Berechtigung zur Diskriminierung eingewanderter Menschen ableiten.

In der deutschen Öffentlichkeit wird der Begriff Ausländerfeindlichkeit jedoch häufig verallgemeinernd und falsch verwendet. Denn was häufig als Feindlichkeit gegen Ausländer beschrieben wird, ist in Wirklichkeit eine Feindlichkeit gegen das vermeintliche "Wesen des Andersartigen". Beispielsweise muss ein Südafrikaner oder Schweizer mit heller Hautfarbe nirgends in Deutschland mit Benachteiligungen rechnen, während ein Deutscher mit dunkler Hautfarbe, ja sogar mit "deutscher Identität", tagtäglich mit Diskriminierung leben. Die hier gemeinte Feindlichkeit richtet sich also nicht gegen Menschen, nur weil sie "aus dem Ausland" kommen, sondern sie richtet sich gegen bestimmte Menschen mit bestimmten erfundenen oder tatsächlichen Merkmalen: gegen Menschen, die lediglich dem Augenschein nach nicht westeuropäischer Herkunft sind.

Allgemein verwirrt der Begriff als mehr als er erklärt. "Ausländer" sind eine willkürliche Konstruktion, die nicht selten dazu gebraucht wird, um eigentlich rassistische Beweggründe zu verschleiern.

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Fremdenfeindlichkeit

Fremdenfeindlichkeit ist ähnlich wie Ausländerfeindlichkeit ein Begriff, der verwendet wird, wenn Einwanderer abgelehnt, diskriminiert und mißhandelt werden. Es handelt sich dabei um eine gezielte Ausgrenzung von Gruppen, die als ethnisch anders, also als "fremd" dargestellt werden. Fremdenfeindlichkeit wird häufig mit unbestimmten Ängsten begründet. Eine Konkurrenzangst wird entwickelt, die sich zur Feindlichkeit steigert.

Ähnlich wie Ausländerfeindlichkeit ist Fremdenfeindlichkeit eine Konstruktion und die Bestimmung von "Fremdheit" und "Fremdsein" ist beliebig. Die Entstehung von Fremdheit ist also eine komplizierte und sehr willkürliche Angelegenheit. Daher ist eine oberflächliche Verwendung des Begriffs Fremdenfeindlichkeit häufig unpräzise. Noch schlimmer: Durch seine ständige Verwendung wird die Distanz zu den Opfern der "Feindlichkeit" aufrecht erhalten. Das Opfer bleibt fremd, es war ja "keiner von uns".

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Nationalsozialismus

Der Nationalsozialismus ist eine völkisch-antisemitisch-nationalrevolutionäre Bewegung in Deutschland (1919 bis 1945), die als Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) organisiert war. Nationalsozialismus ist die – etwas irreführende – Selbstbezeichnung der politisch-weltanschaulichen Bewegung, die 1933 in ein Terrorregime mündete. Das nationalsozialistische Herrschaftssystem war zwar nationalistisch, wies jedoch kaum sozialistische Elemente auf. Durch das Parteiprogramm der NSDAP ist die Weltanschauung nur unzureichend beschrieben, aufschlussreicher sind die Bekenntnisse Adolf Hitlers in "Mein Kampf", sowie weitere programmatische (meist mündliche) Äußerungen. Die wichtigsten Wesensmerkmale des Nationalsozialismus sind:

  1. Antiliberalismus und Antiparlamentarismus ("Führerprinzip" und "Volksgemeinschaft")
  2. Antikommunismus (verklärt als "jüdischer Bolschewismus") und Nationalismus ("Du bist nichts, dein Volk ist alles!")
  3. Rassismus ("Ariertum")
  4. Eliminatorischer Antisemitismus ("Endlösung der Judenfrage")
  5. Militarismus und Imperialismus ("Lebensraum im Osten")
  6. Systematischer Terror nach innen und außen

Das nationalsozialistische Regime führte einen Rassenkrieg an dessen Ende der systematische Massenmord an den europäischen Juden (Holocaust) stand.

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Nationalismus

Der Begriff Nationalismus wird im politischen und wissenschaftlichen Gebrauch so vielfältig gedeutet, wie kaum ein anderer. So kann Nationalismus gemeinsam mit rechten und linken Ideologien auftreten, als Begründung expansiver Politik von Staaten oder als Programm von Befreiungsbewegungen.

Blättert man in einschlägigen Lexika, wird Nationalismus einmal neutral, als Forderung und Streben nach Schaffung und Sicherung eines Nationalstaates dargestellt. Andererseits ist er auch als aggressive Äußerung eines übersteigerten Nationalgefühls auf Kosten anderer Nationen und Nationalitäten verstehbar.

Es gibt ebenfalls keine einheitliche Meinung, was unter dem Begriff Nation zu verstehen ist. Üblicherweise wird hier zwischen Kulturnation und Staatsnation unterschieden. Unter Staatsnation wird allgemein eine Gemeinschaft gleicher Bürger verstanden, die durch ihren eigenen Willen eine Nation von Staatsbürgern bilden. Der bereits vorhandene Staat schafft sich hier eine Nation. Klassisches Beispiel ist Frankreich.

Eine Kulturnation ist demgegenüber eine Gemeinschaft, die sich durch ein "natürlich" und geschichtlich vorbestimmtes Schicksal definiert. Demzufolge bilden vorgegebene Kriterien wie etwas Abstammung, Sprache und Geschichte eine Nation. Innerhalb dieser Konzeption hat das Individuum keine Möglichkeit, über seine Nationszugehörigkeit selbst zu entscheiden. Anders als bei der Staatsnation schafft sich hier eine bereits vorhandene, nach den vorgegebenen Kriterien definierte Nation einen Staat, in dem sie den Zusammenschluß aller Staaten oder Gebiete anstrebt, in denen Angehörige der Kulturnation leben. Als Beispiele hierfür gilt insbesondere Deutschland.

Im Rechtsextremismus wird Nationalismus in einen Ultra-Nationalismus überhöht und mit ethnischen, kulturellen und politischen Kriterien der Exklusion angereichert, um die Idee der Nation zu einer Idee kollektiver Homogenität zu kondensieren. Die Nation stellt so den höchsten Wert dar und wird der Maßstab allen politischen Denkens und Handelns.

Nationalismus eignet sich als Instrument zur Herstellung kollektiver Identität, abseits von den Kategorien Klasse oder Konfession und vermag starke Verantwortungsgefühle gegenüber dem Kollektiv zu wecken. Letztendlich ist die Nation aber eine mehr oder weniger willkürliche Konstruktion. Benedikt Anderson definiert Nation folgerichtig als eine "vorgestellte politische Gemeinschaft" (imagined community), denn obwohl sich die Mitglieder einer Nation niemals alle kennen werden, existiert eine imaginäre Vorstellung von Gemeinschaft. Nichtsdestotrotz ist Nation-Sein und Nationalismus ein weltweit bestehendes Phänomen und Ultra-Nationalismus ist nach wie vor ein zentrales Element des Rechtsextremismus.

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